Tag der Befreiung
16.05.2025 / Pfarrer Guido Hepke, Evangelische Kirchengemeinde Weilburg
Soldaten der Wehrmacht haben schon das Dynamit an den Brückenpfeilern befestigt. Alles ist für die Sprengung vorbereitet. Doch mitten in der Nacht schleicht sich ein Weilburger Bäcker an diesen Lahnübergang. Zusammen mit seinem Enkel durchtrennt er die Sprengkabel. Die beiden versuchen, wenigstens etwas zu tun. Dieser furchtbare Krieg muss doch zu Ende gehen. Mit den Nazis haben die beiden nichts zu schaffen. Ganz im Gegenteil.
Am nächsten Morgen fliegt die nächtliche Sabotage auf. Soldaten flicken eilig zumindest einen Teil der Sprengladung wieder zusammen. Dann kommt es zur Explosion. Zwei Brückenbögen stürzen ein. Der Rest bleibt unbeschädigt. Bereits vierundzwanzig Stunden später rollen amerikanische Panzer über den provisorisch reparierten Lahnübergang. Der Krieg ist in Weilburg zu Ende. Einige Wochen später ist ganz Deutschland von der Gewaltherrschaft der Nazis befreit.
Das Kriegsende im Mai 1945 war eine militärische Niederlage. Doch dies war notwendig. Nur so konnte unser Land vom nationalsozialistischen Terror-Regime befreit werden. Zu viele hatten mitgemacht. Zu viele hatten sich weggeduckt. Zu wenige waren bereit, zumindest etwas Sand ins Getriebe der Gewaltherrschaft zu streuen. So wie unser Weilburger Bäcker mit seinem Enkel. Der 8. Mai 1945 – er ist für auch für unser Land ein Tag der Befreiung.
Seitdem haben wir die Möglichkeit, in Frieden und Freiheit zu leben. Niemand muss Angst haben, dass nachts die Geheimpolizei klingelt. Niemand wird eingesperrt, weil er die Regierung kritisiert. Sogar Nazis dürfen ihre Meinung sagen.
Aber unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen aktiv für sie eintreten – in der Kommunalpolitik, in den Vereinen, in den Kirchengemeinden. Aber auch im privaten Umfeld: Ich muss widersprechen, wenn jemand antisemitische oder fremdenfeindliche Sprüche loslässt. Denn für Gott sind alle Menschen gleich viel wert. Da dürfen wir keine Unterschiede machen. Sicher, manchmal gibt es Ärger und Streit, wenn ich Stammtischparolen widerspreche. In einer Diktatur wäre der Preis aber sehr viel höher. Da kostet Widerstand oft das Leben. Nur wenige haben dann so viel Glück wie der Weilburger Bäcker und sein Enkel. Sie wurden nicht erwischt. Von den beiden lerne ich: Es ist besser, jetzt unsere Demokratie zu verteidigen.
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